Die Chatbot-Technologie von Microsoft hat die Wahrnehmung von künstlicher Intelligenz in atemberaubender Geschwindigkeit verändert. ChatGPT hat tatsächlich etwas Bemerkenswertes erreicht: Die bisher getrennten Bereiche der Artificial Intelligence (AI) Sprache, Bild und Text wurden vereint. Die auf Transformer-Methoden basierende Technologie zeigte der Welt mit einem Schlag, wie leistungsfähig KI bereits ist.
Die produzierende Wirtschaft hat den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in Österreich schon längst in den Arbeitsalltag integriert. Von intelligenten Robotern in der Produktion über Automatisierungsanwendungen bis hin zu datengesteuerten Analysen – der Einsatz von KI eröffnet auch im industriellen Umfeld vielfältige Möglichkeiten, kognitive Arbeitstätigkeiten und -prozesse zu optimieren. Laut einer Studie von Fraunhofer Austria aus dem Jahr 2022 befinden sich KI-Anwendungen bereits in jedem zehnten Unternehmen im operativen Einsatz. Allerdings zeigt die Studie auch, dass dabei ein großer Unterschied zwischen KMU und größeren Firmen existiert. Vor allem bei der Implementierung von KI-Anwendungen geht die Schere auseinander. Nur bei jedem vierten Unternehmen gehen KI-Anwendungen über die Pilotphase hinaus.
Als größte Herausforderung sehen die Unternehmen laut Fraunhofer Austria vor allem die fehlende Kompetenz bei den Mitarbeitenden. Ziel müssen daher die Vermittlung von konkreten Use Cases sowie gezielte Wissensvermittlung hinsichtlich des sinnvollen Einsatzes von KI im Unternehmenskontext sein.
Die positive Seite: Viele österreichische Industrie-Unternehmen stellen sich diesem neuen Wettbewerb. In der Studie von Fraunhofer gaben die Teilnehmenden an, sich KI vor allem in den Bereichen Dienstleistungen und Services für Kund:innen, IT sowie Forschung und Entwicklung im Einsatz vorstellen zu können.
Allerdings haben 55 Prozent der von Fraunhofer befragten Unternehmen aktuell noch keine konkrete Strategie für den Einsatz von künstlicher Intelligenz entwickelt. Um ein Gefühl für die mannigfaltigen Möglichkeiten der neuen Technologie zu bekommen, holen wir hier einige Vorreiter von Industrial AI vor den Vorhang.
AT&S (Austria Technologie & Systemtechnik AG) ist ein österreichisches Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Leiterplatten und IC-Substraten spezialisiert hat. In dieser Schlüsselindustrie ist AT&S einer der Weltmarktführer, auch was den Einsatz von KI anbelangt. In einigen Fabriken optimiert ein auf Boolescher Algebra basierender Algorithmus die Einordnung in die Produktionslinien. AT&S nutzt außerdem bereits KI-gestützte Simulationen.
Gottfried Egger, Leiter der Unternehmens-IT, kann sich vorstellen, dass Produktionsschritte teilweise oder vollständig von AI gesteuert und optimiert werden. Selbstlernende Systeme, die auf neuronalen Netzwerken basieren, könnten neue Architekturen entwerfen. Dies stelle, laut Egger, einen entscheidenden Wendepunkt für das Geschäftsmodell des Technologieunternehmens aus Leoben dar und fördere seine Weiterentwicklung.
Egger glaubt, dass der wiederholbare Prozessschritt für die Steirer „nicht länger ein Alleinstellungsmerkmal bleiben“ werde. Stattdessen wird er zur Grundvoraussetzung für AI-optimierte Entwicklungen. Diese zeichnen sich bereits am Horizont ab. Kleinere und leistungsfähigere Systeme werden die Thermoregulierung von Substraten immer wichtiger machen. Um die Produktion übergreifend zu harmonisieren, wird daher bereits heute auf die Vereinheitlichung von Daten gesetzt. Egger meint, dass sie sich der AI-Entwicklung „spielerisch“ nähern würden.
Eine besonders gemeine Aufgabe für ChatGPT hat sich Manager Manuel Krammer von Flex zu Testzwecken ausgedacht. In dem Unternehmen, das im kärntnerischen Althofen elektronische Fertigungsdienstleistungen anbietet, wurden die Aufgaben für die KI in traditioneller Kärntner Mundart formuliert. „Doch davon ließ sich das Programm nicht aus der Fassung bringen“, berichtet Krammer amüsiert.
Bei Flex in Althofen wird die Transformer-Technologie probeweise in verschiedenen Bereichen eingesetzt. Beispiele für den KI-Einsatz sind das Ghostwriting und kleinere Softwareprojekte, bei denen die Technologie bereits eine erste Arbeitsentlastung bringt.
Die KI kann auch bei der Suche nach Ersatz für Elektronikkomponenten am Ende des Produktlebenszyklus hilfreich sein. „Nachdem wir die Spezifikationen eingegeben hatten, identifizierte die KI in einem Test erfolgreich eine Nachfolgetechnologie“, erläutert Krammer.
Bereits heute nutzen die Kärntner in einem speziellen Bereich – dem Reparaturprozess von produzierten Elektronikkomponenten – KI-geschützte Verfahren. Diese führen eine optische Inspektion unter Berücksichtigung von historischen Daten durch.
Der Aluminiumkonzern Amag setzt bereits „evolutionär“ auf AI als nächste Phase der Prozessautomatisierung. Bei der Herstellung von Walzprodukten, hauptsächlich für die Luftfahrt- und Automobilindustrie, führt das Unternehmen die Prüfung der jährlich rund 230.000 Materialproben mit Unterstützung von KI durch.
Die Oberösterreicher haben zehn Millionen Euro in die vollautomatisierte Probenherstellung und -prüfung investiert, die am Ende einer bis zu 16-wöchigen Durchlaufzeit des Walzprodukts ansteht. Mithilfe von Machine-Learning-Algorithmen planen und optimieren die Prüfanlagen ihre Probenherstellungsprozesse für Zug- oder Korrosionstests praktisch eigenständig und rund um die Uhr.
Dies sei laut CEO Gerald Mayer aus mehreren Gründen ein wichtiger Schritt: Einerseits erfordere die Luftfahrt, die Königsklasse, nachweislich eine fast 100-prozentige Qualität der Lieferung. Andererseits sei sich der CEO der Schwierigkeit bewusst, Mitarbeitende zur Schichtarbeit am Wochenende zu motivieren, zumal der Arbeitsmarkt ziemlich ausgeschöpft sei.
Insgesamt finden viele Unternehmen in Österreich, die nach Finanzierungen für Investitionen in künstliche Intelligenz suchen, es jedoch noch schwierig, die Mittel zu sichern. Eine Studie des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR), ein Instrument zur Einordnung von Qualifikationen des österreichischen Bildungssystems, zeigt, dass viele KMU in Österreich, insbesondere im Bereich der Produktion, noch nicht wirklich die Vorteile von künstlicher Intelligenz erkannt haben. Als Argument wird häufig angeführt, dass die Technologie noch zu teuer und schwer zu implementieren sei.
Trotzdem: Laut eines Berichts der Wirtschaftskammer Österreich hat die österreichische Industrie bereits im Jahr 2019 rund 37 Millionen Euro in KI-Investitionen getätigt. Auch gemäß der Fraunhofer-Studie setzen nahezu alle Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitenden auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz, wobei sich die Anwendungen mindestens in der Testphase befinden, ca. ein Drittel dieser größeren Unternehmen setzt KI-Anwendungen bereits in operativer Umgebung ein. Diese Zahlen zeigen: Österreichs Industrie hat erkannt, dass AI ein wichtiger Faktor ist, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
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